Möwenfüttern bei Ankunft in Olbia

Wer braucht schon 4×4?

Sardinien Oktober 2023

Und wieder geht’s los auf Reisen. Dieses Mal für 10 Tage nach Sardinien. Die Fähre ist gebucht, von Genua fahren wir nach Olbia. Ich bin etwas nervös bei der Anfahrt, denn  Moby darf nicht mit in die Kabine, weil die Haustierkabinen ausgebucht waren. Nun mache ich mir also Sorgen, wie das klappen soll. Mein Notfallplan ist mit Moby, Schlafsack und Isomatte irgendwo an Deck zu pennen. Ein Freund von Alex erzählt allerdings, dass man das nicht mehr darf. Nun gut. Das macht es nicht besser. Also Anspannung pur bei mir. Als wir dann auch noch in Genua die Einfahrt zum Fährhafen nicht sofort finden und Google Maps uns immer wieder an die falsche Stelle führt ist meine Laune am Nullpunkt angekommen bzw. in den Keller gerutscht. Ich frage mich wo meine ansonsten so coole und gelassene Reisestimmung und mein eigentlich unerschütterlicher Glaube daran, dass alles gut geht, geblieben sind… Nach diesem kurzen Downer finden wir dann doch die Einfahrt zum Terminal weil zwei nette Polizisten uns helfen.

Auf der Fähre angekommen nimmt der Reisezauber wieder das Zepter in die Hand und wir müssen nur noch die Hürde mit Moby und der Kabine nehmen. Naja, was soll ich sagen. Der Steward lässt sich recht schnell überzeugen, dass Moby doch in die Kabine darf, reibt aber während des Gespräches seinen Zeige- sowie Mittelfinger und Daumen aneinander und sagt so ewtas wie »Ihm wäre DAS ja egal, aber der Chef, der …« Er hört merkwürdigerweise mit dem Fingerreiben auf, als wir ihm 20 Euro in die Hand drücken 😉 Also wäre das auch geklärt. Unsere Sachen lassen wir in der Kabine und gehen zur Bar an Deck. Auch hier hätte ich problemlos pennen können oder alternativ in einem der Restaurants, überall machen es sich Reisende für die Nacht bequem. 

Unsere »Wohnzimmer-Bar« in Porto Pollo

Die Stimmung an Deck ist sehr gelassen. Mit zwei Ichnusa – DEM sardischen Bier – sitzen wir auf dem Boden vor dem riesigen Schornstein der Fähre, über uns ist der dunkle Nachhimmel erleuchtet mit ein paar Lichterketten. Mein Stresslevel lässt immer weiter nach und ich fühle mich wieder im Reiseflow. Ich sehe viele Kletterer hier um uns herum. Aber zum Klettern sind wir nicht hier; wir wollen Kite Surfen. Alex kennt sich aus auf Sardinien und wir steuern am nachten Morgen als erstes Porto Pollo an. Ein ziemlich bekannter Wind- und Kitesurf Spot. Ich bin völlig geflasht als wir über die kleine sandige Verbindungsstraße vorbei an den Holzhäusern einiger Surfschulen und einer Bar zur Halbinsel Isola del Gabbiani fahren um uns dort auf dem Campingplatz einzumieten. Hier bleiben wir zwei Nächte. Alex kitet, ich gehe mit Moby am Strand spazieren. Für mich ist der Wind zu stark.

Die Strandbar auf der Windsurfer Seite der Inselzufahrt wird zu unserem Wohnzimmer. Aktuell sind viele Schweizer Familien mit kleinen Kindern unterwegs, denn in der Schweiz sind Herbstferien. Ansonsten spüren wir das Ende der Saison ganz deutlich. Die Straßen sind recht leer; viele Campingplätze haben bereits zu. So kommen wir in den Genuss sehr oft wild stehen zu »müssen«.

Alghero Casco Historico

Nach zwei Nächten in Porto Pollo machen wir uns auf an der Ostküste entlang weiter in den Süden. Ich möchte gerne die einst katalanische Stadt Alghero sehen. Auf dem Weg dorthin biegen wir spontan auf eine sandige Nebenstraße ab, um zu einem Strand zu gelangen. Wir parken auf dieser sandigen Piste bei anderen Vans und gehen über eine kleine Düne zum Strand. Dort hüpfen wir kurz mal ins Wasser. Die Strömung ist recht stark. Dennoch versuchen einige Wellenreiter ihr Glück. Ich bin mal wieder an einem Strand angekommen und völlig glücklich. Auf dem Weg zurück zu Bo treffen wir einen Vanlifer mit Kölner Nummernschild. Außer »Hallo« und einem strahlenden Lächeln haben wir keinen Kontakt. Dennoch beeindruckt er mich, da er offensichtlich das tut wovon ich träume. Er lebt hinter der Düne. Und dann kommt er auch noch aus meiner Heimatstadt. Ich denke: »Hallo lieber Kölsche Jung, darf ich bei dir einziehen?« 

In Alghero parken wir im Hafen auf einem sehr großen Parkplatz bei einigen anderen Campern. Neben uns steht ein Camper in dem eine kleine Katze auf ihre Besitzer wartet. Wir spielen kurz mit ihr an der Scheibe. Sie jagt unseren Fingern am Glas nach. Ich frage mich, wer Bitteschön nimmt eine Katze mit auf Reisen? Oder sind das schon wieder Vollzeit-Vanlifer?

Myrte-Eis in Alghero

Alghero ist eine wirklich hübsche Stadt mit einer imposanten Festungsanlage. Die typischen roten Korallen, die man hier als jeglicher Art von Schmuck kaufen kann, sprechen mich sehr an. Dennoch werde ich nicht fündig, denn meine Vorstellung von ein paar Ohrringen oder einer Kette sind zu speziell, zu schlicht mein Geschmack. Also gibt es statt Ohrringen sardisches Myrte-Eis.

Abends essen wir sehr leckere Pizzen in einem süßen kleinen Restaurant in einer Seitengasse. Wir sitzen draußen in einer Art Holzkabinen, was gut ist, denn es fängt kurz mal an zu regnen. Kalt ist es allerdings nicht. Wir unterhalten uns mit dem Kellner aus Argentinien und bekommen aufs Haus von ihm zwei Mirto, dem typisch sardischen Myrte-Likör, eingeschenkt. Die rote Variante erinnert mich sehr an den andalusischen Pacharan. Leicht angesäuselt verabschieden wir uns sehr herzlich mit Umarmungen von »unserem« Kellner. Er hat sich einfach super gefreut, mal wieder Spanisch reden zu können. 

Frühstück im Hafen

Am nächsten Morgen gibt es auf dem Hafenparkplatz am Bulli einen Kaffee. Unsere Nacht war sehr ruhig. In einem Café frühstücken wir später noch eine Kleinigkeit und gehen zur Toilette, danach geht’s an der Küstenstraße weiter nach Süden.

Für 80 km brauchen wir mehr als zwei Stunden. Das soll sich in unseren 10 Tagen hier immer wieder bestätigen. Denn die Straßen sind extrem kaputt, an der Küste steil sowie super kurvig und es geht viel hoch und runter. Sardinien ist nun mal sehr bergig. Ich bekomme eine Ahnung wie groß die Insel eigentlich ist. An der Küste können wir manchmal ziemlich weit gucken und sehen schon die nächste Landzunge oder vorgelagerte Inseln.

Wellen finden wir keine 🙁

Wir landen an diesem Tag auf einem Hippie Campingplatz bei Narbolio mit einer echt schrägen Inhaberin an der Rezeption, aber einem um so cooleren Typen am Surfboard-Verleih. Zum Surfen kommen wir leider nicht, die hier angeblichen top Wellen bleiben aus. So schmoren wir in der schwülen Hitze und verjagen lästige Fliegen. Uns ist es auf dem Platz zu staubig, zu viele sehr kleine quengelige Kinder mit unentspannten Eltern um uns rum und dann ist uns auch noch langweilig weil es keine Wellen gibt.

Also fahren wir nach nur einer Nacht ganze 20 km weiter nach Putzu Idu. Dort empfängt uns der Strand mit mit einem für mich tollem Flachwassergebiet. Es gibt Strandbars und entspannte Leute. Alex schult mich im Kite-Surfen und ich kann meine Angst vom letzen Jahr mit den Levante-Stark-Wind-Erlebnissen in Tarifa überwinden. Ich schlage mich recht gut und habe viel Spaß! Endlich!! Vielleicht lerne sich es ja doch noch ;-))) 

Wir sind quasi gefundenes Fressen für Käserverkäufer

Schon die ganze Zeit möchte ich bei einem, der kleinen Obst-, Wein- und Käse-Händler an denen wir vorbeifahren und die ihre Produkte an Ständen oder in Holzbuden anbieten, Pecorino kaufen. Leider haben sie fast alle zu oder wir sehen sie zu spät. Die Saison scheint wirklich fast zu vorbei zu sein.

In Putzu Idu habe ich Glück. Wir stehen gegenüber des Strandes am Bulli und ziehen uns nach dem Kiten gerade um. Da hält ein Mann an und fragt ob wir Käse kaufen möchten. Ich frage, ob er Pecorino hat. Klar, hat er den. Er steigt aus, öffnet den Kofferraum und hat in einer Eurobox mit Deckel vier oder fünf Käseleibe. Zack zückt er eine Handwaage, wir verhandeln über die Größe des Stückes und er kassiert ganze 18,– Euro für ein aber recht beachtliches Stück Käse. Die Eurobox und der Kofferraum sind super schmutzig und voller Fliegen. Ich lächle leicht in mich hinein, weil ich an die Käsetheke im heimischen Supermarkt denke und ihre Hygienevorschriften. Andere Länder, andere Sitten. Irgendwie freue ich mich, dass hier quasi der Berg zum Propheten gekommen ist und mich der Zufall zu meinem Käse gebracht hat, der von einem Direkterzeuger stammt.

Putzu Idu Beach

So zufällig ist es dann aber doch nicht, denn etwas später fährt der nächste mit Käse beladene Kleinwagen vor und der Fahrer fragt, ob wir etwas kaufen wollen. Wir winken freundlich ab und gehen in der Bar ein paar Bier trinken. Dabei überlegen wir, wo wir pennen können. Hier an der Straße wollen wir nicht unbedingt bleiben.

Alex erinnert sich an einen Parkplatz an der Klippe an der Spitze der Landzunge. Ich befrage dazu mal Park4night. Hier steht in mehreren Beiträgen, dass der Weg dorthin nur für 4×4-Fahrzeuge geeignet ist. Nun denn. Nach vier Bier und nur ein bisschen Käse im Bauch beschließen wir einfach mal gucken zu fahren. Gesagt, getan. Denn die Aussicht, in Capu Mannu an der Klippe zu stehen und den Sonnenuntergang zu sehen finden wir extrem geil. Also zahlen wir und ziehen weiter. 

Parken an der Klippe

Das Dach von Bo ist schnell eingeklappt und die Neoprenanzüge und alles andere sind ebenso schnell verstaut. Wir versuchen erst die eine Strecke um die Landzunge herum zu fahren, wenden dann aber und fahren zurück. Ziemlich schnell ist die asphaltierte Straße zu Ende und wir schaukeln über eine Schotter- und Sandpiste.

Der erste Parkplatz ist erreicht. Ja, der ist hübsch. Aber er ist nicht AUF der Klippe. Also schauen wir mal den Weg weiter hoch. Da kommen ein paar große Felsplatten und sehr viele Schlaglöcher. Das Bier zeigt seine Wirkung und wir sind überzeugt, dass der Bo das schon kann. Jaaaaa, er kann es. Die Fahrt ist holprig und Bo wackelt und neigt sich gefährlich hin und her. Ich selber würde hier nicht hoch kommen, aber Alex macht das sehr besonnen und wir lachen uns kaputt darüber, dass wir so irre sind und hier lang schaukeln. Ich verstehe auf einmal wozu der Haltegriff oben beim Beifahrersitz eigentlich da ist.

Wow! Wie geil kann Leben sein?

Einmal müssen wir ein Stück zurück fahren und doch eine andere Gabelung nehmen. Zweimal steige ich aus und zeige Alex an wie er am besten fahren sollte. Und dann kommen wir wirklich ein ganzes Stück hinter dem Leuchtturm an der Klippe an. Hier ist niemand. Wir haben Blick aufs Meer. Die Wellen klatschen gegen die Felsen und wir bauen unser Camp auf. Moby streift herum. Wir kochen Spaghetti Bolognese mit Blick auf den Sonnenuntergang und der Wind pfeift uns um die Ohren. Wie perfekt kann Leben bitte schön sein??? Mit einem Wow-Gefühl schlafe ich ein, nachdem wir noch lange die Sterne beobachtet haben. Die Nacht verbringen wir jedoch recht unruhig, da der Wind den lieben Bo mit seinem Aufstelldach ziemlich wackeln lässt. 

Am Morgen gibt es frischen Bialetti-Kaffee und ein wenig Brot mit Käse und Tomaten. Wir packen alles ein und brechen auf für die Rückfahrt. Unsere permanente Frage ist: »Hier sind wir hoch gefahren?? Wie bescheuert sind wir denn bitte????« Aber die Antwort ist schnell gefunden: »Scheiß auf 4×4 nach vier Bier!« (Anmerkung der Autorin: bitte nicht nachmachen!!!!!!!!!)

Picknick ist unsere Hauptmahlzeit …

In Putzu Idu verbringen wir dann noch den ganzen Tag mit Kite Surfen und danach geht es wieder zurück Richtung Norden. Wir fahren durch’s Insel-Innere, teilweise über die Autobahn und ansonsten über viele kleine Straßen.

Hier ergibt sich ein recht krasses Bild: Sardinien ist arm. Das ist mir schon vorher aufgefallen. Die Sarden sind oft Selbstversorger, würde ich sagen. Da der Sommer viel zu trocken war, sehe ich im Vorbeifahren stark vertrocknete Wissen auf denen magere Kühe die letzten grünen Grashalme suchen. Ich sehe Bauern, die die Kühe und andere Weidetiere aus großen weißen Silosäcken mit Heu füttern, welches sicherlich für den Winter gedacht ist. Sardinien wirkt nun auf mich wie ein bisschen vergessen vom Rest Europas.

Die Szenen mit den Kühen stimmen mich nachdenklich. Die viel zu trockenen und sehr heißen Sommer kosten ihren Tribut. Auch jetzt, im Oktober, ist es viel zu heiß. Wir haben jeden Tag an die 30° Grad Celsius, Regen gibt es fast gar nicht. Natürlich freuen wir uns über das gute Wetter. Aber normal ist es leider nicht und die Menschen hier haben sicherlich damit zu kämpfen.

So fahren wir weiter durch diese trockene und staubige Landschaft, die mir trotzdem gefällt. Es gibt auch einige grüne Ecken mit Kakteen und einer Art Bambusgewächs. Leider sind meine botanischen Kenntnisse sehr schlecht, aber ich mag die Vegetation total. 

Palau – Caribbean Feelings

Unser Ziel ist erneut Porto Pollo. Dieses Mal steuern wir den Campingplatz in Palau an, der sich als absoluter Volltreffer entpuppt. Wir ergattern einen Platz direkt am Meer. Gegenüber liegen ein paar Felsformationen im Wasser und ich fühle mich wie in der Karibik. Wir Schwimmen bis zu den Felsen und beklettern sie ein wenig. Wow! Schon wieder wow! Was für eine tolle Insel!

An unserem letzten Tag in Porto Pollo ist das Wetter eher schlecht. Anfangs hat es mässigen Wind, so dass ich wieder einige Body Drag Übungen machen kann. Dann kommt plötzlich starker Wind auf und eine mächtige dunkle Front an Regenwolken schiebt sich über die Hügel in Richtung Strand. Alex und ich wechseln schnellet durch, damit er bei diesem stärkeren Wind kiten kann. Der Regen nimmt zu und der Wind stellt ganz plötzlich ab. Also war es das mit kiten. Macht aber nichts.

Wir packen alles zusammen und schnappen uns jeder eine Dose Ichnusa, gehen im Neoprenanzug mit Sonnenbrille auf dem Kopf wieder ins Wasser. Das Meer ist pipiwarm. Wir dümpeln wie zwei Bojen im Wasser rum, trinken unser Bier und genießen diesen unendlich tollen Moment. Was für ein Abschluss! Grazie Sardegna.