Hotzenwald
heimreise
eins, zwei, frei!
Nach einer super schönen Woche am Comer See und einer fast magischen Nacht an einem See in den Schweizer Alpen zwischen Maloja Pass und St. Moritz mache ich mich langsam auf die Heimreise. Mein älterer Sohn schreibt mir, dass er es schön finden würde, wenn die Hunde und ich mal wieder zu Hause wären. Das rührt mich fast zu Tränen. So plane ich meine endgültige Heimreise über den Schwarzwald locker in einer bis eineinhalb Wochen. Aber es kommt, wie immer, anders.
Also fahre durch die Schweiz und überquere die Grenze in Bad Säckingen. Der Moment, als ich über die Grenze fahre fühlt sich extrem komisch an. Nun bin ich wieder in Deutschland und weiß gar nicht was ich davon halten soll. Dieses merkwürdige Gefühl bleibt erstmal mein Begleiter. Ich besuche meine Eltern in unserem Haus im Schwarzwald. Abends gehen wir essen. Ich fühle mich ein wenig fremd. Ich schaue mir die Leute um mich herum an und frage mich, was für Geschichten sie wohl mitbringen? Ich vermisse es, so ungezwungen und unkompliziert mit Menschen ins Gespräch zu kommen wie in den letzen Wochen und so mehr über sie zu erfahren.
Pause am Gugel-Turm
Am nächsten Tag mache ich zusammen mit meiner Mutter eine kleine Wanderung zum Gugel-Turm, dem Aussichtsturm hinter unserem Haus. Meine Mutter ist mittlerweile nicht mehr so gut zu Fuß, sie geht an einem Stock und ist bei weitem nicht mehr so trittsicher wie früher. Aber sie kämpft sich den steilen Weg zum Turm hoch. Ich zolle ihr insgeheim Respekt dafür, dass sie sich so durchbeißt. Der Weg ist wirklich steil. Leider ist dieser Weg, den wir seit 19 Jahren kennen ihrer Erinnerung entglitten, wie so vieles in der letzten Zeit. Das macht mir Sorgen. Aber irgendwie wirkt sie zufrieden, trotz der fehlenden Erinnerungen. Das wiederum lässt auch mich entspannter mit dieser eigentlich traurigen Tatsache umgehen. Wir machen mehrere kleine Pausen und ich reiche ihr die Hand. Dabei denke ich daran, wie seltsam das doch ist, nun reiche ich ihr die Hand um über unwegsames Gelände zu helfen, als ich Kind war, war es umgekehrt. Aber das scheint der Lauf des Lebens zu sein.
Oben am Turm trinken wir ein Bier und quatschen mit dem Wirt. Ein alter Seemann aus Peenemünde. Er will bald mit einem Container Schiff bis Südafrika fahren. Ich frage ihn spontan ob ich mitkommen kann. Mit einem Augenzwinkern sagt er ja, wir müssten nur seiner Frau erzählen, dass wir uns zufällig auf dem Schiff getroffen haben. Ich bin noch nicht einmal richtig zu Hause angekommen und denke schon wieder an neue Reisen. Wie soll das mit mir nur weitergehen?
Heimweg
Nach vier Tagen in meinem eigentlich heiß geliebten Schwarzwald, an denen der mir eigentlich bekannte Hier-wird-mir der-Kopf-gerade-gerückt-Funke einfach nicht richtig überspringen mag, beschließe ich in zwei Tagen nach Hause zu fahren. Und das überwiegend, weil ich am Tag darauf zum Klettern verabredet bin.
Wie es dann weiter geht, weiß ich noch nicht. Ich denke, ich werde ziemlich schnell wieder los wollen. Aber ich versuche einfach, alles ganz locker auf mich zukommen zu lassen. Sicher ist, dass ich dieses Rumtreiber-Leben sehr liebe. Ich brauche sehr viel Abwechslung, sonst werde ich trotzig, schlecht gelaunt und unzufrieden. Das Reisen nährt diesen kleinen inneren Quengelgeist, dem so schnell langweilig wird, absolut.
Also darfst du jetzt Wetten abschließen wie lange ich es zu Hause aushalten werde! Wir rechnen aber bitteschön in Wochen, nicht in Tagen oder sogar Stunden 😉
Believe in yourself
Die Zeit im Schwarzwald zusammen mit meinen Eltern verdeutlichen mir erneut, dass ich mein Leben bestmöglich leben sollte. Die Möglichkeiten schwinden einfach mit zunehmendem Alter. Schon alleine deswegen sollte ich bald wieder los.
Da fällt mir einer meiner Buddies aus Tarifa ein: er plant und gestaltet sein Leben so, dass er »nur« siebzig Jahre alt wird. Älter möchte er nicht werden. Er möchte einfach nicht dem eigenen »körperlichen oder geistigen Abbau« beiwohnen. Er will ein aktives Leben mit möglichst viel Spaß und extremem Sport führen. Mit siebzig, so meint er, wird er einfach nicht mehr so fit sein und das möchte er nicht. Also ist sein Plan, mit seinem Kite raus zufahren und nicht mehr wieder zu kommen. Als er mir davon das erste Mal erzählt hat, finde ich ich die Idee total absurd und irre. Mittlerweile sehe ich die Vorteile, dieser Art zu denken. Diese eher ungewöhnliche Art der Lebensplanung nimmt dir eine Menge Druck. Wenn du nur bis siebzig planst und quasi rechnest musst du viel weniger Geld fürs Alter anhäufen als bei einer längerfristigen Planung. (Sorry, für die nüchterne Umschreibung!) Du gehst zudem anders mit deinem Körper um, nutzt mehr Chancen und konservierst dich selber nicht mit dem Gedanken »Oh, kacke, das muss hier ja noch alles möglichst lange halten.« Bis dahin gilt also Vollgas und Feuer frei. Und genauso lebt er.
Wir wollen alle, dass möglichst alles lange anhält und für immer ist. Leben, Gesundheit, Freundschaften, Liebesbeziehungen, Häuser und sonstige Besitztümer. Auch unser Körper und unser Geist sollen möglichst lange »halten«. Also sorgen wir gut für uns, was ja prinzipiell eine sehr gute Idee ist. Aber manchmal schränken wir uns deswegen ein und vergessen im Moment zu leben und Chancen zu nutzen. Wir wollen Sicherheit und planen unsere Zukunft bis ins hohe Alter. Ich tue das genauso. Ich möchte alt werden. 98 Jahre sind mein Ziel. Natürlich erwarte ich, dass ich dann noch fit bin. So wie wir alle. Aber ich möchte mich deswegen nicht einschränken. Ich möchte alle Chancen nutzen, die das Leben mir bietet. Ich möchte ebenfalls nach dem Prinzip Vollgas und Feuer frei leben. Letztlich tue ich das bereits.
Eins, zwei, frei …
Am Heimkehren ist meine eigentlich größte Sorge, dass ich das alles vergesse, dass der sogenannte Alltag mich so sehr in Beschlag nimmt, dass mir die Zeit fehlt meinem Freiheitsdrang nachzukommen.
Nun fahre ich also erstmal nach Hause. Dort möchte ich, genauso wie unterwegs, einfach von Tag zu Tag entscheiden. Und ich möchte ganz genau auf meine innere Stimme und mein Herz hören um zu entscheiden wo es lang geht, denn die beiden sind die allerbesten Wegweiser, die wir im Leben haben. Dabei hilft mir immer wieder diese einfache Frage, an die du dich vielleicht auch noch erinnerst:
Fühlst du dich wohl? Das ist es worauf es ankommt. Mehr nicht.
Ich fühle mich wohl – nach wie vor und habe auch nicht die Absicht, daran etwas zu ändern.
Love my life.
Danke an alle, die ich unterwegs getroffen habe und für die unzähligen tollen Inspirationen und Erlebnisse. Ich reise weiter, das steht fest und du kannst gerne dabei sein.