Mal kurz bloggen vorm Bulli auf einem Hocker

Suche Heimat – remote unterwegs

Wenn dein Leben eine Reise ist

Hand auf’s Herz – suche ich eine Heimat? Diese Frage beschäftigt mich seit ein paar Wochen. Woher kommt mein Nomaden-Gen? Diese Rastlosigkeit? Ich bin immer auf dem Sprung, tanze auf allen Hochzeiten, finde gefühlt überall Freunde, kann mich schnell an neuen Orten und in anderen Ländern zurecht finden, will alles erleben und ziehe immer weiter und weiter. Aber das Wichtigste ist, dass ich mich an so vielen Orten zu Hause fühle, dass ich glatt behaupten möchte: ich habe meine Heimat im Kopf und trage sie fortwährend mit mir rum. Geht das? Braucht der Mensch nicht vielmehr einen beständigen Ort, der ihm Sicherheit gibt, wo er wahrscheinlich auch aufgewachsen ist und wo er sich einfach zu Hause und sauwohl fühlt? 

Laut Duden ist Heimat: »Land, Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend)«, und der Duden sagt aber auch: »Ursprungs-, Herkunftsland eines Tiers, einer Pflanze, eines Erzeugnisses, einer Technik o. Ä.« (Zitat Duden Online 23.02.2024) 

Mein 1. Macbook aus den 00er Jahren

Mmmhhh … was soll ich sagen? Mittlerweile bezeichne ich mich zurecht als Digital-Nomadin. Das fing früh an mit mir. Ich habe nach dem Kommunikations-Design-Studium an der ecosign Akademie einen Job in einer Kölner Full-Service-Werbeagentur gefunden. Wir hatten stets viel zu tun, haben bis abends spät und am Wochenende gearbeitet. Also zur damaligen Zeit ein typisches Unternehmen in der Werbebranche. Das ging auch so weit, dass Urlaub manchmal nicht Urlaub war und ich mein Laptop (ein super schweres schwarzes Macbook mit dem sexy tailliertem Deckel) mitnahm.

Technisch war das Anfang der 00er Jahre noch recht umständlich, denn es gab nicht überall W-LAN oder Handyempfang. Anfangs besaß ich eine Art Doodle mit SIM-Karte, den ich per USB an mein Laptop anschließen und mit dem ich mich ins Mobilfunknetz einwählen konnte. Die Verbindung war natürlich mega instabil und langsam. 

Wifi Hügel im Schwarzwald

Da wir als kleine junge Familie viel Zeit im Schwarzwald im Ferienhaus meiner Eltern verbrachten und dort der Empfang sehr zu wünschen übrig lässt (auch heute noch) musste ich auf den Hügel neben dem Haus steigen und von dort aus E-Mails oder Daten versenden. Als wir dann den ersten Bulli besaßen wurde das Ganze etwas komfortabler, denn ich bin kurzer Hand um den Hügel gefahren um dort im Bulli sitzend online zu sein. Somit konnte ich auch bei Regen arbeiten. Mit der Geburt meines zweiten Sohnes 2005 hörte ich auf, in der Werbeagentur zu arbeiten und bin seitdem freiberuflich tätig. 

Auch heute noch: Arbeiten auf dem Hügel

Damit war ich noch mehr auf darauf angewiesen, von unterwegs bzw. aus dem Urlaub heraus zu arbeiten und erreichbar zu sein. Und so nahm mein Schicksal seinen Lauf.

Wir machten Rundreisen durch Irland, Schottland, waren wochenlang campen in der Bretagne, ich war zum bouldern in Fountainebleau, wir waren in Kroatien oder auf Mallorca und mein Laptop war überall dabei weil es immer noch einen Job fertigzustellen gab.

Auf all diesen Reisen fühlte ich mich stets sehr wohl und mich selber als ganz ICH. Die Trennung von meinem Mann war dann der endgültige Startschuss für’s Nomaden-Dasein. Mit dem Wissen, dass die Kinder groß genug sind um alleine zu bleiben zog ich also los und höre seitdem nicht mehr auf.

Mein Traum ist nach wie vor zwei, drei Jahre am Stück, mit meinem Van durch Europa zu reisen und von unterwegs aus zu arbeiten. 2022 habe ich mit drei Monaten angefangen, wollte über Spanien nach Portugal und wieder zurück, bin dann aber in Tarifa hängengeblieben. Tarifa, der Ort, der mich nicht mehr losläßt. Tarifa, einer der Orte, an denen ich mich unglaublich wohl und zuhause fühle. Mal sehen welche Orte noch dazu kommen.

Mein Laptophalter,  im Casa Tortuga II in Tarifa

Technisch ist das Ganze für mich viel einfacher geworden. Per Hotspot und einem Mobilfunkvertrag mit hohem Datenvolumen kann ich – egal wo – arbeiten. Selbstverständlich benötige ich Handy-Empfang – das ist klar – aber mittlerweile ist das fast kein Problem mehr. Und falls es doch mal keinen Empfang gibt fahre ich einfach ein Stückchen weiter an den nächsten schönen Ort.

Mit meinen Bulli bin ich autark, denn ich besitze ein klappbares Solarmodul und eine mobile Powerstation, die mein Laptop zweimal aufladen kann wenn sie selber voll geladen ist. Meine Arbeit ist recht stromintensiv und ich benötige zwei Ladungen für eine Arbeitszeit von ca. vier bis fünf Stunden.

Für den Datenversand mal kurz ums Eck gefahren

Sitzen kann ich recht gut im Bulli oder davor. Tisch und Stühle sind ja standardmäßig vorhanden beim VW T6 und für mich passend. Mein MacBook ist auf einem ebenfalls klappbaren Laptophalter positioniert für eine bessere Ergonomie. Allerdings bin ich wirklich flexibel, was meine Sitzsituation beim Arbeiten angeht. Ich habe bereits an den merkwürdigsten Orten gearbeitet, einmal im Bulli auf dem Boden sitzend mit meinem Laptop auf der Rückbank. Leider sind mir dabei öfter mal die Beine eingeschlafen ;-))

Sardinien, Parkplatz Porto Pollo

Meinen Büro-Alltag habe ich komplett digitalisiert, auch alles super easy mittlerweile per Cloud-Speicher und einer Online-Büro-App für Werbeagenturen, über die ich Rechnungen schreibe und meine Buchführung etc. mache.

Alles in allem bin ich sehr minimalistisch unterwegs. Mir geht es beim Vanlife unter anderem darum, so wenig Ballast wie möglich mit mir herumzufahren und Dinge zu vereinfachen. Ich möchte ein einfaches Leben führen mit wenig Dingen in meinem Besitz, kreativ und flexibel sein wenn mal etwas fehlt.

Mallorca, Santa Ponça

Da ich als Remote-Worker nicht alleine unterwegs bin gibt es zudem etliche Work-Spaces und/oder Cafés und Bars, die uns gerne beherbergen. Zumindest sind das meine Erfahrungen in Spanien und Italien. Witzig ist dennoch, dass ich oft noch auffalle, wenn ich irgendwo in einer Bar mit meinem Laptop sitze und arbeite. Meistens komme ich so sehr schnell mit Leuten ins Gespräch über einen klassischen Kommentar, wie: »Das ist aber eine schönes Büro hier!« Oder: »So läßt es sich auch arbeiten!« Tja, genau – so läßt es sich auch arbeiten! Ich bin überglücklich, dass ich das kann und in dieses Leben kontinuierlich reingewachsen bin – so, als hätte es nie ein anderes Ziel für mich gegeben. Zwischenzeitlich habe ich mal mit meinem Job gehadert. Aber mittlerweile, weiß ich, dass er für mich der beste Job der Welt ist, da ich Nomadentum und Arbeit gut miteinander verbinden kann. 

Arbeiten an einem Regentag im Bulli

Selbstverständlich ist auch in diesem Leben nicht alles Gold, was glänzt. Remote im Bulli unterwegs zu sein bedeutet, gut alleine sein zu können, genügend Motivation und Struktur zum Arbeiten zu haben, auch wenn Sonne und Strand nach dir rufen und es bedeutet vor allem, mit wenig zufrieden zu sein und das Unperfekte zu lieben. 

Freundschaften verlaufen nicht kontinuierlich im Sinne von, wir sehen uns immer zweimal pro Monat, einmal in der Woche oder alle vier Wochen zum Brunch, Kartenspielen, Sekt trinken, Yoga oder was auch immer. Meine Freundschaften müssen der Zerreißprobe, über Entfernung bestehen zu bleiben, Stand halten. Sie sind dennoch keine lockeren Bindungen, wie du jetzt denken könntest, sondern meist sehr intensive Kontakte mit tiefgreifenden Gesprächen. Mit den meisten Menschen, die ich unterwegs treffe, ist es ähnlich. Es mögen kurze Begegnungen sein, aber wie ich hier schon so oft erzählt habe, verlaufen diese meist ohne lange Anlaufzeit und wir gehen im Gespräch direkt ans Eingemachte. 

Café del Mar, Tarifa

Dennoch fragen mich Freunde gerne, ob ich vor etwas weglaufe und was ich eigentlich suche. Ein Freund sagte sogar, er weiß nicht ob er bewundern soll, wie ich lebe oder ob er Mitleid haben soll, da ich so heimatlos bin. Damit bin ich wieder bei meiner Eingangsfrage angekommen. Suche ich eine Heimat? Nein, ich denke nicht. Ganz aktuell ist es ja eher so, dass ich mein jetziges Zuhause komplett verlassen möchte, meine eigentliche Heimatstadt Köln (der ich dann doch emotional eng verbunden bin) vielleicht neu entdecken kann und mein Glück im Süden von Europa finden will. Ich möchte in Bewegung bleiben, räumlich wie gedanklich. Dennoch schließe ich nicht aus, eine zeitlang an einem festen Ort wahrscheinlich im Süden und ganz super wahrscheinlich in Spanien oder Portugal zu leben.

No comment 😉

Wer weiß schon, wo es mich hintreibt, wer mich alles ein Stück auf meiner Reise begleitet und welche Zufälle mich von meinem Kurs abbringen werden. Ich lebe mehr im Moment. Ich nehme das Leben wie es kommt. Ich genieße jeden Tag. Auf manche Menschen wirkt das hedonistisch, aber für mich ist es eine Tatsache, dass wir nur diesen jetzigen einen Moment wirklich erleben und spüren können, denn nachher kann alles schon vorbei sein.

Ich habe kein eigentliches Ziel, nur Ideen und Wünsche. Ich liebe es, so zu sein. Alles ist offen, in Bewegung und meine Rastlosigkeit verliert sich meist, wenn ich an einem Strand stehe und aufs Meer hinausschaue, dann will nicht so schnell weiter. Thomas D in Rückenwind spricht mir aus der Seele: »Reisen ist gesund. Ich hau ab und zieh Leine und ihr seht mich als Punkt am Horizont verschwinden, um ein Stück weiter hinten mich selbst zu finden.«