El Puerto de Santa Maria

Sweet life

El Puerto de Santa Maria

Also fahre ich nach dieser sehr unruhigen letzen Nacht in Asturien weiter Richtung Süden. Ich wähle die Autovia de la Plata einmal durch Spanien durch über Salamanca und Sevilla. Das sind bis El Puerto de Santa Maria bei Cádiz, meinem ersten Ziel in Andalusien, etwas mehr als 980 km. Ich suche mir ca. bei der Hälfte der Strecke etwas südlich von Salamanca einen Camper-Stellplatz direkt neben der Autobahn.

Die Strecke führt durch die Berge, den Parque Natural de Babia y Luna. Die Gebirgslandschaft ist unglaublich schön. Schroffe Felsen umrahmen einen riesigen See und es sieht ein bisschen aus, wie in der Schweiz. Es gibt viele Tunnel und einige Kurven. Alles in allem ist es aber entspanntes Autofahren. 

Danach führt mich der Weg über eine Art Hochplateau durch eine schnurgerade Landschaft. Alles, was ich sehe ist ocker- und sandfarbend. Die Autobahn geht komplett geradeaus und es gibt keine Hügel oder sonstige Erhebungen. Sämtliche Felder und Wiesen sind vertrocknet. Viel Orte gibt es nicht, nur Strommasten und Oberleitungen von Bahnstrecken, dadurch sieht es total futuristisch aus. Ich muss unwillkürlich an die Landschaften in Mad Max denken.

Google Maps ist irgendwann der Meinung, die Autobahn wäre gesperrt, so fahre ich ab und parallel zur Autovia durch zwei Orte (und kann sehen, dass die Autobahn nicht gesperrt ist weil alle anderen dort weiter fahren). Die Gebäude sind ebenso sandfarbend wie die Landschaft und überwiegend sehr runtergekommen bzw. total verfallen und unbewohnbar. Hier zeigt sich ein wirklich anderes Bild von Spanien – ich würde sagen sehr, sehr ärmlich. 

Allmählich wird es dann wieder etwas hügeliger und es gibt ein bisschen mehr Grün in Form von Büschen oder kleinen Bäumen zwischendurch. Kurz vor Salamanca fängt es an zu regnen und ich streiche meinen Programmpunkt, mir die Stadt anzugucken spontan. 

Karl im Agua

Meine Zwischenübernachtung in Béjar ist ziemlich ruhig denn der Stellplatz ist super gelegen, wenn auch nicht besonders schön.

Am Morgen unterhalte ich mich mit einem älteren Mann am Brunnen, der in der Stadt geboren und aufgewachsen und nun zu Besuch hier ist. Er erzählt mir, dass das Trinkwasser hier eine sehr gute Qualität hat weil es aus den Bergen kommt, dass es dort im Winter Schnee gibt, man Skifahren kann und dass es einen Lift gibt (ich lerne das spanische Wort für Skilift: el telesquí). Er ist sehr interessiert daran, wo ich herkomme und erzählt mir von seinen deutschen Nachbarn, die aus dem Schwarzwald kommen. Was für ein ehrliches und authentisches Gespräch! Mit einer unglaublichen Höflichkeit verabschiedet er sich von mir. Ich bin total begeistert, auch davon, dass ich mich mit ihm so gut auf Spanisch unterhalten konnte. Manchmal geht das dann doch 😉

Nach meinen Aufbruch fahre ich ziemlich bald durch die Extremadura. Hier ist es einfach nur schön! Sanfte Hügel, weite Sicht, rot-braune Erde, ein paar Bäume unter denen kleine Rinderherden grasen. Ich mag es total zu beobachten, wie sich die Landschaft immer weiter verändert. Als ich die Grenze nach Andalusien passiere jubele ich mal wieder. Irgendwann muss ich beim Flughafen in Jerez de la Frontera von der Autobahn runter um auf eine andere zu wechseln, in diesem Moment habe ich tatsächlich einen Kloß im Hals und es fühlt sich irgendwie an wie nach Hause kommen. Es gibt nun Palmen und Oleander am Straßenrand zu sehen. 

Stadttor Tarifa

In El Puerto de Santa Marie checke ich für vier Nächte auf dem Campingplatz ein. Ich möchte Teile meiner Spanisch-Lerngruppe inkl. Lehrer treffen, die hier aktuell einen Bildungsurlaub machen.

Der Campingplatz liegt sehr nah am Strand und die Stellplätze weiter hinten auf dem Platz befinden sich unter Pinien. Also spanne ich kurzerhand meine Hängematte zwischen zwei Bäume. Hier, in der Hängematte schaukelnd mit Blick auf die Pinien über mir, habe ich zum ersten Mal seit fast 3000 km das Gefühl anzukommen. Es riecht unglaublich nach dem Baumharz, der Boden ist sandig, staubig und voller Piniennadeln und ich fühle mich in die Urlaube meiner Kindheit in Hossegore und Capbreton zurückversetzt. Was für ein schönes Gefühl.

Los Lances 😉

Tarifa

Da ich das dritte Mal in El Puerto bin kenne ich mich ganz gut aus und auch hier ist es ein wenig wie zu Hause sein. Meine Treffen mit meinen »Mitschülern« sind ungezwungen und lustig, wir führen aber auch tiefgründige Gespräche – wie eigentlich immer. Dennoch spüre ich nach vier Tagen wieder meine Unruhe und möchte dringend weiterziehen. Gesagt getan. Ich plane nach El Palmar zu fahren, aber noch während der Fahrt (ich bin gerade aus El Puerto raus und auf die Autobahn abgebogen) ändere ich das Ziel bei Google Maps in Tarifa um.

Brücke zum Camping Rio Jara

Bei Caños de Meca führt die Strecke von der Autobahn ab auf die Nationalstraße und ich grinse einfach nur die ganze Zeit. Das Navi brauche ich hier nicht mehr. Diesen Weg kenne ich fast blind. Zu groovigen, spanischen Elektro-Sounds überhole ich die »Touristen« und fahre viel, viel zu schnell.

In Los Lances Norte reihe ich mich zu den anderen wilden Campern ein und gönne mir einen Café con Leche sowie Pasta Boloñesa im Chiringuito Agua als eigentlich erste Mahlzeit am Tag und ich komme an, mal wieder.

Den ersten Tag verbringe ich alleine für mich. Ich rede nur mit ein paar Spaniern und meinem Kite-Surf-Coach von 2022 und schlafe erneut überglücklich zum Geräusch der Brandung ein. Mittlerweile weiß ich morgens im Halbschlaf nicht mehr, wo ich gerade geparkt habe und wie rum ich eigentlich im Bulli liege. Ich bin dann jedes Mal ein wenig orientierungslos, was sich aber sehr gut anfühlt. 

… y tu alma será mía …

Am zweiten Tag checke ich nachmittags im Camping Río Jara ein. Ich quatsche mit dem schwäbischen Paar, die hier seit sechs Jahren fest wohnen und mit dem Platzwart, der hier auch schon seit Jahren arbeitet und mit dem ich schon das ein oder andere Bier getrunken habe. Er hat eine so beneidenswert klare Sicht der Dinge, dass ich kurz mal sentimental werde, als er mich fragt warum mein Freund eigentlich nicht dabei ist. 

Später gönne ich mir ein Bier im Agua. Dort treffe ich auf ein paar Leute, mit denen ich schon öfter mal geredet habe. Sie feiern den Geburtstag der Inhaberin einer der Kite-Schulen. Kurzerhand feiere ich ein ganz kleines bisschen mit. Sowas ist hier sehr normal. Ich bin zwar Alleineisende, aber ich fühle mich keinen einzigen Moment alleine.

Den Moment als die Sonne im Meer verschwindet bejubeln alle ausgelassen. Warum ist das so faszinierend für uns? Ich kann mich an Sonnenuntergängen gar nicht satt sehen – sie verlieren nichts an ihrer Schönheit. Ich finde es ist immer ein ganz besonderer Moment am Ende eines Tages. Ein bewusster Moment, ein Moment zum innehalten und loslassen – besonders hier, weil sie im Meer verschwindet und alles in ihr goldenes Licht taucht, du die Wellen hörst und die klare, salzige Luft einatmen kannst.

Ganz hinten sieht man das Atlas Gebirge in Marokko

Karl freundet sich mit den anderen Hunden im Chiringuito an. Ich zögere anfangs noch ihn von der Leine zu lassen, schließlich ist er noch nicht so lange bei mir und teilweise etwas ängstlich mit Weglauf-Tendenz. Als es sich etwas leert in der Strandbar, mache ihn einfach los. Anfangs bleibt er bei mir und dann zieht er ein bisschen mit seinen neuen Buddies umher. Er bekommt aber genau mit wo ich bin.

Ich verabschiede mich von den Partygästen und gehe los. Karl folgt mir! Das ist für uns als Team ein großer Schritt. Am Strand lasse ich ihn ca. die Hätte des Weges noch frei laufen. Er freut sich wahnsinnig und tollt wild herum. Ich kann ihn abrufen, wenn auch nicht sofort, freue mich aber riesig darüber. Was für ein Tag!

Ich bin knapp zwei Tage hier und schon im Tarifa-Modus: treiben lassen, genießen, alles nehmen wie es kommt und beinahe sorglos durch den Tag schlendern. Warum bin ich nochmal losgefahren? Was war los? Ich muss beim Einschlafen im Bulli wirklich kurz nachdenken, dann fällt es mir wieder ein: ja, ich wollte alle Sorgen und Probleme loslassen und musste die Notbremse ziehen, weil es mir zu viel war. Stimmt. Stimmt. Stimmt. Das Alles ist jetzt weit weg, mindestens 3000 km.