Mein Lieblings-Chiringito
at home
the best choice
Wie du weißt bin ich abgereist aus Tarifa. Ich bin am letzten Freitag losgefahren und habe es geschafft eine Nacht und einen Tag wegzubleiben. Samstag Abend habe ich alles wieder eingepackt und bin zurück gefahren. Während der Fahrt hatte ich ein Dauergrinsen im Gesicht. Nun bin ich hier und fühle mich nach wie vor sauwohl.
Was hat dieser Ort nur an sich, dass ich nicht wegkomme? Wahrscheinlich ist es dieses besondere Flair, die lockere Stimmung, die vielen netten super aufgeschlossenen Menschen hier und diese atemberaubende Landschaft, die jeden Tag anders aussieht. Der Strand ist riesig, der Wind macht was er will und die grünen Hügel im Hintergrund erinnern an Irland. Über den Blick auf Afrika freue ich mich nach wie vor, auch wenn dieser ein wenig seine anfängliche Faszination verloren hat.
Ich gewöhne mir ein bisschen an zum Chiringito einen Strand weiter zu laufen, eine chillige Strandbar direkt am Meer. Dort trinke ich ein oder zwei Bier, die Hunde laufen frei rum oder kuscheln sich neben mich auf die Sofas. Meist komme ich mit irgendjemandem ins Gespräch. Ob es die Opernsängerin aus Köln ist oder die Kite-Surf-Lehrein aus Österreich mit ihrem Hund, zu erzählen gibt es immer etwas.
»At home« again
Am Abend in der Campingplatz-Bar lerne ich ein nettes, junges Paar aus Berlin kennen. Sie arbeiten beide remote, haben ein Jahr lang in Tarifa gelebt, in einer Wohnung in der Altstadt und sich in einem Co-Working-Büro eingemietet. Nun wohnen sie hier auf dem Platz in ihrem Bulli für eine Weile.
Wie so oft und mit so vielen reden wir darüber, warum wir hier sind, wie lange und wie wir eigentlich zu Hause wieder klar kommen sollen. Unisono heißt die Antwort auf die letzte Frage: gar nicht. Das ist ja auch seit einigen Wochen meine große Sorge. Wie soll ich zu Hause wieder zurecht kommen? Was ist eigentlich zu Hause? Wir alle befürchten, dass wir genau an dem Ort, den wir zur Zeit »zu Hause« nennen, uns nicht mehr wohl fühlen werden.
Wir stellen fest, dass ein zu Hause eigentlich auch in uns selber liegen kann. Ja, das stimmt. Aber so richtig überzeugt mich das doch nicht. Es ist etwas Wahres daran, aber sich nur bei sich selbst zu Hause zu fühlen erscheint mir als zu einseitig. Die Berlinerin sagt dann einen Satz, der mich sehr zum Nachdenken bringt. Sie sagt. »Zu Hause ist doch da, wo du dich gerade wohl fühlst, und das kann immer wieder woanders sein bzw. das können auch einfach mehrere Orte oder Städte gleichzeitig sein.« Yes! Das ist es! Es muss gar nicht das eine zu Hause geben. Es kann überall sein und ich kann mein zu Hause immer wieder neu und woanders finden.
Ich fühle mich an so vielen Stellen zu Hause. Wie oft habe ich auf Reisen an wirklich vielen Orten gedacht, wow hier könnte ich auch eine zeitlang leben… Was passiert hier eigentlich mit mir? Im Moment ist so, dass ich ein Leben lebe, wie ich es mir immer vorgestellt habe und zu recht frage ich mich, warum ich das eigentlich wieder ändern sollte?
Tarifa Beach
Zwei Tage später komme mit einem anderen Paar ins Gespräch. Eigentlich kenne ich beide schon länger, aber wir haben immer nur kurz gesprochen.
Sie ist Kolumbianerin und jobt in Tarifa in einem Modeladen, er ist Franzose und hat irgendein Unternehmen und arbeitete ebenfalls hier vom Campingplatz aus. Beim Spülen unterhalten wir Frauen uns. Sie bleiben bis Oktober, dann geht’s vielleicht nach Kolumbien um ihre Familie zu besuchen und im Winter nach Asien, Kambodscha oder wohin auch immer … Die beiden sind eine Art digital Nomaden.
In mir wächst sehr langsam der Gedanken, dass sich auch so leben könnte. Nein, Moment! Das ist falsch!! Den Gedanken hatte ich schon sehr oft. In mir wächst die Gewissheit, dass ich das tun sollte. Überraschen tut mich das nicht sonderlich. Ich war schon immer sehr reiselustig, wie du hier schon gelesen hast. Ich fühle mich schnell an anderen Orten wohl, bin auf Reisen fast am glücklichsten und finde schnell Kontakt zu anderen Menschen. Woher das alles kommt, dieser Drang in die Welt zu gehen, weiß ich nicht. Aber ich will sie sehen, all diese schönen Stelle, Orte, Städte, Strände, Berge und was immer auf dieser Welt. Ich will fremde Kulturen einatmen, mich mit Händen und Füßen verständigen und einfach im Moment leben. Ich will mal hier und mal dort für eine Weile bleiben. Ich will ungebunden sein und tun und lassen können was ich möchte.
Home is where you park it 😉
Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Aber Schritt für Schritt geht alles. Zu Hause – also dort wo ich zur Zeit meine feste Adresse habe 😉 – gibt es für mich natürlich noch einige sehr wichtige Ankerpunkte. Meine Söhne, meine Freunde, Familie, mein Haus … all dies will ich ja nicht missen.
Dennoch sollten wir uns immer bewusst sein, das wir nur dieses eine Leben haben, und dass dies bestmöglichst gelebt werden möchte. Wir sollten mehr auf unser Herz und unseren Bauch hören, Zwänge überwinden und uns einfach mit uns selbst und der Gestaltung unseres Lebens wohl fühlen. Die Wahl hast du nämlich immer. Alles anderer sind meist Ausreden.
Ich lebe bereits ein wenig meinem Traum – was machst du?